Jüngste Forschungsergebnisse einer schwedischen Beobachtungsstudie deuten darauf hin, dass durch eine autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) der Verlauf der schubförmig-remittierenden Multiplen Sklerose (MS) sicher verlangsamt werden kann.
Die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation ist quasi ein programmierter Neustart des Knochenmarks und wird in der Regel bei Krebserkrankungen des blutbildenden Systems angewendet, um die Anwendung von Hochdosis-Chemotherapien zu ermöglichen. Dabei werden im ersten Schritt Stammzellen aus dem gesunden Knochenmark oder dem Blut einer Person entnommen. Im Anschluss werden hochpotente Chemotherapeutika und Antikörper angewendet, die (als eigentlich sekundären Effekt) das Knochenmark und Immunzellen zerstören. Die gesunden Stammzellen werden dann reimplantiert und das Knochenmark dadurch neu aufgebaut. Im Fall der Multiplen Sklerose wird die HSZT als stärkste mögliche Immuntherapie angesehen, da mit dieser radikalen Methode die für die Erkrankung verantwortlichen Immunzellen nahezu vollständig eliminiert werden. Außerhalb klinischer Studien führen nur einige spezialisierte Zentren diese Behandlung für MS-Erkrankte durch.
Das Ziel der Forscher war, die Wirksamkeit und Sicherheit einer HSZT außerhalb klinischer Studienbedingungen bewerten. Dabei wurden 231 Patienten mit schubförmig-remittierender MS aus dem schwedischen MS-Register ermittelt, von denen sich 174 vor dem Jahr 2020 einer HSZT unterzogen. Die Sicherheit der Therapie wurde durch die genaue Überprüfung der elektronischen Patientenakten in den ersten 100 Tagen nach dem Eingriff beurteilt.
Nach durchschnittlich 5,5 Jahren Beobachtungszeitraum wiesen fast drei Viertel (73%) der durch eine HSZT behandelten Patienten keinerlei Anzeichen einer Krankheitsaktivität auf. Nach 10 Jahren waren immerhin noch 65% der Patienten krankheitsfrei. Die jährliche Schubrate nahm signifikant von 1,7 im Jahr vor der HSZT auf 0,035 während des Überwachungszeitraums ab. 149 Patienten wiesen eine vorbestehende Behinderung zu Beginn der Studie auf. Von dieser Gruppe verbesserten 54% ihr Defizit, 37% blieben stabil und nur 9% verschlechterten sich.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörte die Entwicklung einer febrilen Neutropenie, die bei ca. zwei von drei (68%) Patienten auftrat. 61 Patienten entwickelten innerhalb von 100 Tagen nach der Behandlung eine bakterielle Infektion. Fünf mussten intensivmedizinisch behandelt werden.
Obwohl es sich um eine Beobachtungsstudie handelt und keine Vergleichsgruppe existiert, empfehlen die Forscher die HSZT als Standardbehandlung für hochaktive Formen der Multiplen Sklerose, wobei sie auf weiteren Forschungsbedarf hinweisen. In Deutschland werden die Kosten für die HSZT bei MS von den Krankenkassen bislang nicht übernommen.